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Zwei Schatten und ein Narr

(Epic Empires im Jahre 1017)

Die Windklingen im Jahre 1017. V.l. Kaya, Tarnis, Rosa, Arno, Cord, Gentiana, Bolli, Rory

Die Windklingen waren dieses Jahr zu acht zu den Spielen der Lesath gereist und hofften auf gute Aufträge. Der Regen jedoch spielte ihnen nicht gerade in die Karten.

Die Schatten

Und so saß Kaya nun eines Abends gemeinsam mit Cord, Rory, Tarnis, Rosa, Gentiana und Arno unter dem Vorzelt ihres Lagers und gemeinsam lauschten sie dem Regen, der nun endlich etwas nachzulassen schien, während die Nacht einsetzte. Bolli war wieder einmal in der Metwabe. Die Windklingen kampierten in diesem Jahr am letzten Lagerplatz oberhalb der Stadt und abgesehen von ihren eigenen Lichtern und dem Lagerfeuer umgab sie nur die Schwärze der Nacht.

Die Stadt schien bereits zu schlafen. Um sie herum war alles ruhig, als plötzlich ein schrilles Knurren, gleich dem eines Raubtieres, die Stille durchriss, gefolgt von einem spitzen Schrei. Die Windklingen zuckten allesamt zusammen. Es war Tarnis, der vor Schreck aufgeschrien hatte und alle starrten ihn an. Neben ihm erblickten die Freunde einen Schatten. Anders könnte man ihn nicht beschreiben. Es schien, als habe sich die Schwärze der Nacht zu einer körperlichen Form zusammengesetzt. Es schien fast menschlich doch konnte man kein Gesicht erkennen. Der Schatten hatte sich aus der Dunkelheit bis ins Lager geschlichen, kauerte nun neben Tarnis und gab weiterhin knurrende Laute von sich. Er hatte Tarnis am Arm berührt und war dann durch dessen Schrei zurückgeschreckt. Kaya sprang vor Schreck auf und griff zu ihrem Dolch. Am Eingang zu ihrem Lager war ein weiterer Schatten erschienen, doch traute sich dieser scheinbar nicht an der Feuerschale vorbei.

“Sitzt doch nicht nur so rum!”, rief Kaya.

Alle schienen wie in Schockstarre, nur Cord entgegnete leicht genervt, während er an seinem Gürtel herum fummelte: “Ich würde ja gerne, aber Tarnis sitzt auf meinem Dolch!”

Es gelang ihm schließlich, Tarnis von seinem Gürtel zu schieben und hastete nun auch von seinem Platz.

“Seht, sie scheinen Angst vor Feuer zu haben”, sagte Rory

Sofort bewaffnete sich jeder mit einer Laterne und hielt sie schützend vor sich. Sofort wichen die Schatten vor den Windklingen zurück.

“Entzündet alle Kerzen und Lampen, die wir haben.”, rief Rosa.

Gesagt getan. Das Lager erleuchtete nun durch all das Licht und zögerlich schritten die Schatten zurück bis sie mit der Schwärze der Nacht verschmolzen.

“Was waren das für Viecher?”, fragte Arno.

“Keine Ahnung, ich habe sie nicht kommen sehen. Erst nachdem Tarnis so geschrien hat, habe ich den ersten bemerkt”, antwortete Cord.

“Äh, Tarnis?”, entgegnete Rosa, “Tarnis, alles in Ordnung?”

Doch Tarnis schien alles andere als in Ordnung. Mit vor Angst geweiteten Augen saß er auf seinem Platz, eine Laterne fest umklammert und sammelte panisch alle Kerzen auf dem Tisch um sich herum.

“Mir ist so kalt”, bibberte er.

Keiner wusste so recht, was sie tun sollten. Den Vorschlag, in die Stadt hinunter zu gehen um die anderen zu warnen, verwarfen sie recht schnell wieder.

“Seid ihr verrückt?”, rief Tarnis als sich Cord und Kaya auf den Weg machen wollten.

“Wir sollten schauen, dass wir die Feuer am Brennen erhalten und zusammen bleiben”, gab auch Gentiana zu bedenken. Und das taten die Freunde auch.

Der Narr

Dicht zusammengedrängt saßen nun alle um den Tisch und legten regelmäßig Holzscheite auf das Feuer. Die meisten Kerzen standen bei Tarnis, der sich mittlerweile in eine Decke eingewickelt hatte. Nach und nach schien er sich jedoch wieder zu fangen. So saßen sie nun da und wussten nicht, wie es weitergehen sollte. Woher die Schatten gekommen waren, was sie hervorgerufen hatte, konnte keiner erahnen.

Und so schritt die Zeit und die Nacht voran und die Müdigkeit übermannte die Freunde, doch wollte sich keiner schlafen legen. Die Gespräche waren verstummt und jeder ging seinen eigenen Gedanken nach. Der Regen hatte nun ganz aufgehört und die Stille wirkte beängstigend, doch zumindest waren die Schatten nicht noch einmal aufgetaucht. Doch plötzlich durchbrach ein fremdartiges Geräusch die Ruhe und alle lauschten auf.

“Hört ihr das?”, fragte Kaya überflüssigerweise denn alle hatten es gehört.

“Hört sich an wie…Glocken.”, sagte Rosa.

In der Tat klang es wie kleine Glöckchen, die in stetem Rhythmus lauter wurden, als würde sich jemand dem Lager nähern. Und tatsächlich, da kam jemand und tauchte aus der Schwärze der Nacht auf. Der Fremde schlich sich jedoch nicht an. Im Gegenteil, tänzelnden Schrittes kam er bei Erblicken der Windklingen zielstrebig auf ihr Lager zu und grüßte sie. Nun erkannten sie auch, was das Gebimmel auslöste. Der Fremde, ganz in schwarz gehüllt, das Gesicht weiß geschminkt und den Mund knallrot angemalt, hatte Schellen an seinen Knöcheln befestigt, die bei jedem Schritt klimperten. An seinem Gürtel hatte er mehrere Masken befestigt, mit lachendem, traurigem und wütendem Gesicht. Sein Erscheinen wirkte wie das eines Narren. Scheinbar belustigt schlenderte er durch das Lager und bediente sich frei vom Essen und Trinken auf dem Tisch.

“Hey, was soll denn das? Finger weg!”, fuhr ihn Arno an.

Doch der Narr lachte nur und entgegnete: “Hah, was das soll? Herrscht hier etwa keine Gastfreundschaft? So lange war ich fort und nun bin ich hungrig und durstig und möchte Spaß haben! Wollt ihr meine Freunde sein und mit mir feiern?”

“Wir sind gastfreundlich aber so benimmt man sich nicht als Gast!”, sagte Rosa zu dem Narren, “Wer bist du überhaupt?”

“Wer ich bin wollt ihr wissen? Hahaha! Mein Name ist Rumpelstilzchen!”, lachte der Narr und setzte sich auf einen der freien Stühle neben Rosa, die Füße legte er auf einen weiteren freien Stuhl neben sich.

Rosa schien mehr neugierig als verängstigt und ging auf das Gespräch mit dem Narren ein. Der Rest der Windklingen war noch zu erstaunt über sein Auftauchen und sein Benehmen. Der Narr erzählte, dass er lange fort war und nun wieder hier sei. Und er freue sich über all die Sterblichen, die er nun als Spielgefährten hätte. Einmal sagte er, er sei ein Narr, ein Gaukler, im nächsten Satz sagte er, er sei ein Gott oder ein Waisenkind. Kaya, der seine Nähe zu Rosa nicht behagte, zückte heimlich ihren Dolch und hielt ihn hinter ihrem Rücken bereit. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie auch Cord und Tarnis Aufstellung nahmen um notfalls einzuschreiten. Der Narr bemerkte dies und starrte Kaya grinsend ins Gesicht.

“Was willst du mit dem Messerchen? Denkst du, du könntest mich töten? Das haben schon andere versucht aber ich bin unsterblich. Wieso bist du so unhöflich?”

“Ich bin nur vorsichtig…und mir gefällt nicht, wie du dich hier benimmst”, antwortete Kaya trotzig.

Sie versuchte, ihre Stimme trotz ihrer Angst ruhig und sicher klingen zu lassen. Der Narr schaute sie abschätzend an, überlegte kurz und sagte schließlich: “Komm doch her zu mir!”

“Ich will nicht zu dir kommen, ich steh hier ganz gut”, entgegnete Kaya, nun merklich unsicher.

Der Narr seufzte, setzte sich auf und starrte Kaya direkt in die Augen.

“Du willst doch zu mir kommen. Komm her, trau dich ruhig, ich tu dir nichts”, sagte er, wobei er erst Kaya zu sich winkte und dann auf seinen Schoß klopfte.

Kaya zögerte, doch je mehr der Narr auf sie einredete, desto weniger konnte sie sich dem Drang, nicht hinüber zu gehen, widersetzen. Wie in Trance steckte sie den Dolch weg und ging auf den Narr zu. Sie schritt um den Tisch, hinüber zu dem Narren und setzte unter den ungläubigen Blicken ihrer Freunde auf seinen Schoß. Die folgenden Momente erlebte Kaya nur wie durch einen Schleier, als Zuschauer gefangen in ihrem eigenen Körper. Der Narr ergriff sie von hinten an ihrem Schopf und Kayas Körper reagierte nun nur noch auf seine Befehle. Wie eine Handpuppe ließ er sie sich bewegen. Die Arme hingen ihr schlaff an der Seite, doch ihr Mund öffnete und schloss sich nun ganz danach wie der Narr redete. In einer lächerlich verstellten Stimme führte er den anderen nun sein bizarres Theaterspiel vor.

“Seht mich an, ich bin so toll”, sagte der Narr und Kayas Lippen schienen die Worte zu formen, “ich bin die Größte und Stärkste. Ach wie toll ich bin, seht mich an, ich bin die Stadtwache!”

Dann beendete er sein groteskes Schauspiel und ließ Kaya los.Kaya erwachte aus ihrer Trance, schaute sich verwirrt um und bemerkte, dass sie auf dem Schoß des Narren saß. Sie sprang auf und eilte hastig weg von ihm. Völlig durcheinander ging sie auf die andere Seite des Tisches, nur möglichst weit weg von dem Narren. Der Narr, nun scheinbar gelangweilt von seinen Spielkameraden sprach nun mit ernster Stimme: “Also, seid ihr nun meine Freunde oder nicht? Überlegt es euch gut denn meinen Freunden helfe ich immer und beschütze sie vor allen Gefahren!”

Keiner traute sich, etwas zu sagen, doch Rosa antwortete: “Wir können gerne deine Freunde sein. Kannst du uns denn auch vor den Schatten beschützen?”

“Ja, ich denke auch, wir können gute Freunde sein. Die Schatten tun euch nichts wenn ich euer Freund bin. Ich kann jeden für euch töten wenn ihr mir sagt, wen!”

Fragend schauten sich alle an. Die Pause behagte dem Narren wohl nicht denn er stand auf und entgegnete nun etwas gereizt: “Ich gebe euch Fünf Minuten Bedenkzeit. Danach nennt ihr mir einen Namen. Denn einer muss sterben wenn ich euer Freund sein soll. Nichts ist umsonst! Aber überlegt es euch gut, denn mein Angebot ist einmalig und ihr solltet mich wohl besser als Freund denn als Feind haben!”

Die Windklingen steckten die Köpfe zusammen und beratschlagten sich flüsternd.

“Also es wäre ja schon nicht schlecht, ihn auf unserer Seite zu haben”, sagte Rory.

“Aber welchen Namen willst du ihm denn nennen?”, fragte Tarnis.

“Wir könnten ja jemanden nehmen, den eh keiner leiden kann”, schlug Arno vor, “jemanden vom Chaos vielleicht oder vom Imperium!”

“Aber wollen wir wirklich jemanden auf dem Gewissen haben?”, fragte Gentiana.

Rosa entgegnete: “Naja, wenn wir ihm keinen Namen nennen, findet er sicherlich jemand anderen und wer weiß, wer das dann ist und welchen Namen er dann nennt? Wollen wir das Risiko eingehen?”

Schweigen breitete sich aus. Keiner wollte natürlich für den Tod eines Menschen verantwortlich sein, darüber waren sich alle einig. Doch barg das Ablehnen des Angebotes auch Gefahren.

“Na, wie habt ihr euch entschieden?” Der Narr war zu der Gruppe getreten. Die Bedenkzeit war um.

“Also wir danken dir für dein freundliches Angebot aber wir müssen leider ablehnen.”, sagte Rosa.

“Seid ihr sicher? Ihr solltet euch nicht gegen mich stellen!”, fuhr der Narr sie an, in der Hand ein Messer, mit dem er spielte.

“Wir sind uns sicher. Wir können es nicht mit unserem Gewissen vereinbaren, für den Tod eines anderen verantwortlich zu sein. Und du gehst jetzt besser!”, antwortete Rosa nun trotzig und machte wohl unbewusst einen Schritt auf ihn zu.

Der Narr konnte keinen Schritt zurück machen, da er gegen einen Stuhl stieß und riss die Hände hoch. Hierbei stieß er Rosa das Messer in den Bauch. Rosa blickte ihn ungläubig an, dann schaute sie an sich herunter, auf die Wunde, die ihr Hemd langsam rot färbte.

“Aua”, sagte sie leise und verlor ihre Gesichtsfarbe. Der Narr schien erschrocken.

“Oh nein, das wollte ich nicht, es tut mir leid!”, rief er.

Mittlerweile war Bolli wieder ins Lager zurückgekehrt und trat mitten im nun entstanden Tumult dazu.

“Was ist denn hier los?”, rief er entgeistert, während Cord, Trans, Arno und Rory sich schützend vor Rosa stellten. Kaya und Gentiana stützten sie und Gentiana versorgte ihre Stichwunde.

“Der hat auf mich eingestochen”, stammelte Rosa völlig durcheinander.

Es folgte ein heilloses Durcheinander. Die Freunde versuchten, den Narren aus dem Lager zu treiben, trauten sich aber nicht so recht an ihn heran. Bolli drängte sich am Narren vorbei zu seinen Freunden und fuhr ihn an, dass er verschwinden solle.

“DU, wer bist du eigentlich, dass du hier so das Maul aufreißt?”, schrie der Narr und schlug Bolli mit der flachen Hand leicht auf den Kopf.

Bolli ging, wie durch einen harten Schlag getroffen sofort zu Boden und alle schreckten zurück. Der Narr ging aus dem Lager. Im Weggehen lachte er wie wahnsinnig und rief den Windklingen zum Abschied zu:

“Ich gehe, aber ihr werdet sehen, was ihr davon haben werdet!”

Und mit diesen Worten verschwand der Narr in Richtung Stadt. Seine Glöckchen klangen noch eine Weile aus der Dunkelheit.

Bolli kam langsam wieder zu sich und Rosa war von Gentiana soweit wieder zusammen geflickt worden, dass es ihr besser ging. Die anderen klärten Bolli kurz über die Geschehnisse der letzten Stunden auf und beratschlagten, was nun zu tun sei. Es war klar, dass der Narr eine große Gefahr darstellte und nun war er in der Stadt unterwegs. Eines stand fest, jemand musste die anderen Stadtbewohner warnen. Und so zogen die Windklingen gemeinsam in die Stadt und folgten dem Klang der Glöckchen…